40
2.2.3 V
OM AKTIVEN
„E
RZIEHER
“
ZUM AKTIVEN
„S
ELBSTERZIEHER
“?
Ich möchte die Reihe verschiedener Sichtweisen vom Erziehen
noch fortführen: Betrachtet man die verschiedenen Aktivitä-
ten der Sinnesorgane eines Kindes bis etwa zum 6. Lebens-
jahr, so sieht und hört man das Kind ohne Unterlass
„ergreifen“, „ertasten“, „erfassen“ und „erfragen“.
So lernt das Kind und erschließt sich die Welt. Beim Schulkind
bis etwa zum 12. Lebensjahr kommen zu diesen frühkindli-
chen Aktivitäten weitere dazu:
„erproben“, „erkunden“, „erlesen“, „errechnen“, „er-
finden“ und „erinnern“.
Das ältere Kind und der Jugendliche (etwa 12 – 18 Jahre) sto-
ßen bei ihren Aktivitäten in der Pubertät an Grenzen: Im
Spannungsfeld mit den Erwachsenen, den Eltern und Lehrern“
müssen sie sich alles
„erkämpfen“, „erstreiten“, „erobern“ und hart „erarbei-
ten“, um etwas zu „erreichen“,
und die jungen Erwachsenen
8
haben schließlich zunehmend –
auch die pekuniären – Möglichkeiten, vieles im wahrsten Sinne
des Wortes zu
„erfahren“ und zu „erleben“.
Mir fällt auf: Alle die genannten Verben drücken eine Aktivität
des Kindes oder Heranwachsenden aus. Nur der Begriff „er-
ziehen“ passt nicht dazu: Er induziert eine Aktivität beim Er-
zieher, beim Lehrer oder bei den Eltern. Ursprünglich lautete
die Vorsilbe [er-] jedoch [heraus-]: Das ist nachvollziehbar,
wenn wir Wörter wie „herausgreifen“, „herausblicken“ oder
„herauskämpfen“ so verstehen, dass die Aktivität aus der Per-
son heraus erfolgt, um etwas von der Welt „einzufangen“
oder zu fassen und dieses Etwas wieder zur Person zurückzu-